Gamification

„Spielend“ lernen im Chemieunterricht?

Erst mal Begriffe sortieren:

Gamification bezeichnet unterschiedliche Aspekte der Unterrichtsgestaltung (und auch der Unternehmensentwicklung), je nachdem, wo man nachliest:

  • den Einsatz von Spielelementen im Unterricht, z.B. „Skills“, was insbesondere auf den motivationalen Bereich abzielt. Schauen sie hierzu „classcraft“ an.
  • den Einsatz von Spielchen und Spielereien, etwa Kahoot, diverse Quizspiele, AKRiddle usw.
  • die Nutzung von „serious games„, also für die Schule gestalteten – oft behaupteterweise „didaktisierten“ Spielen – wobei die Frage zu klären ist, ob nicht bei einigen Beispielen „Didaktisierung“ mit „wird nicht als Spiel empfunden“ gleichzusetzen ist – zu verkopft und langweilig? Wäre zu klären.
  • den Einsatz kommerzieller Computerspiele für unterrichtliche Zwecke. Beispiel: Minecraft bzw. Minetest (siehe auch hier).

Da mit den obigen Ideen und Ansätzen sehr unterschiedliche Funktionen und Ziele verbunden sind, ist eine klarere begriffliche Einordnung ratsam. Die Einordnung, die ich (TF) für zielführend halte, orientiert sich an dem, was z.B. Wössner schreibt (siehe Literaturliste unten).

  • Gamification bedeutet, Unterricht durch Spielelemente anzureichern. S.o.: Classcraft ist ein Beispiel dafür. Man arbeitet mit Belohnungen, Anerkennungspunkten, Ranglisten. Kommentar: Einzelne solcher Elemente können nützlich sein. Denken Sie etwa an eine grobe „level-artige“ Einteilung der Schüler nach Arbeitsverhalten: Sie könnten „Ranks“ vergeben und je bestimmte „Privilegien“ damit verbinden. Das darf man aber nicht übertreiben. Allermeist ist aus meiner Sicht (TF) das Einbinden mehrerer Gamificationelemente – insbesondere Belohnungen – der Versuch, schlechtem, langweiligem, irrelevantem Unterricht eine „motivierende“ Verpackung zu geben. Wössner spricht von „Konditionierung zu ‚richtigem‘ Verhalten“. Fraglich ist auch, ob sich durch solche Elemente guter, zeitgemäßer, offener Unterricht stützen ließe oder ob Gamification eher zu extrem geschlossenen Formaten passt. Über den Begriff „Konditionierung“ sollten sie unbedingt stolpern! (Lesen Sie es nach!) WENN Sie es schaffen, zeitgemäßen Unterricht durch etwas Gamifizierung noch interessanter zu machen: Nur zu.
  • Lernspiele gibt es schon lange, angefangen bei Memorys, Dominos usw. Solche „Spiele“ sind rein für Lernzwecke erstellt und zielen oft auf Faktenwissen ab. Die hierfür oft auch verwendete Bezeichnung „serious games“ ist meistens unpassend. Lernspiele folgen meistens nicht den wichtigen Spieleprinzipien, weshalb sie auch eigentlich keine Spiele sind. Kommentar: Würden Sie so was spielen, wenn sie nicht müssten? Die meisten mir bekannten Beispiele sind allzu sehr „gewollt“ und viel zu wenig ein Spiel. Besonders modern sind gerade „Escape Rooms“. Was in der Freizeit Freude machen kann – wer’s mag, ist für den CU schnell ein sehr eng gestricktes, geschlossenes Aufgabenkorsett. Es gibt auch nette Daddeleien für den CU, solche Spiele laufen aber in allen mir bekannten Fällen auf Faktenwissen bzw. Begriffswissen hinaus, Kompetenzen werden nicht gefördert. Also: kann man mal machen, man sollte aber keine übermäßigen Lernerfolge erwarten.
    Echte „Serious Games“ sind für bestimmte Lernzwecke programmiert und hochwertig. Denken Sie an einen Piloten, der im Flugsimulator immer neuen Herausforderungen gegenübersteht.
  • Game-based learning: Bekannte, echte Spiele werden für Lernzwecke genutzt. Der Einsatz zielt auf Kompetenzentwicklung ab.

Der letzte Punkt ist der, der besondere Aufmerksamkeit verdient. Es erscheint abwegig – Computerspiele im Unterricht spielen? Es gibt aber Berichte über sehr positive Erfahrungen damit. Näheres dazu habe ich im wiki geschrieben. Wenn Sie wissen wollen, wie man so etwas umsetzen kann, schauen Sie bei Blockalot im Wiki vorbei.

Was sind die wichtigen Spieleprinzipien?
– Es stellen sich echte Probleme, die innerhalb des Spiels gelöst werden
– Belohnung findet über eigene Erfolge statt, die erst erarbeitet werden müssen
– sie bieten eine echte, dem Spiel innewohnende Motivation (Probleme erfolgreich lösen, weiterkommen… keine äußere Belohnung)
– keine vorgefertigten, alleinigen Lösungswege – kein „richtig“ und „falsch“
– auf jeder Stufe eigener Fähigkeiten gibt es machbare Herausforderungen – Weiterentwicklung, Verbesserung ist immer möglich
– eingebautes Feedback
– die Spielregeln sind klar

Denken Sie bei Gamifizierung und digitalen Lernspielen einen Aspekt immer mit: Es gibt dinge, die serh einfach digitalisiert werden können, und solche, bei denen der Aufwand höher ist. Quiz ist einfach. Abfragen sind einfach. Wissen abfragen ist einfach. Kompetenzen sind komplex. Im Bereich digitaler Tools werden Sie überwiegend solche Dinge finden, die einfach zu machen sind. Und die sind nicht gut für guten Unterricht. Schauen Sie also mehrmals hin und überlegen Sie, ob das, was sie finden, zeitgemäßen, kompetenzorientierten Unterricht unterstützt.

Literaturhinweise:

  • Wössner, S.: Lernen statt daddeln. In: ON, H. 4, 2021, S. 4ff
  • Unterricht Chemie: Spiele. H. 163, 2018
  • Schule digital, H. 2, 2023. Thema: Gaming in der Bildung
    Darin: Wössner, S.: Let’s play: Spielen für ein besseres Morgen
    dies.: Wenn Spielen nicht gleich Spielen ist
  • Aufenanger, S.: Gamen bildet. In: ON, H. 14, 2023, S. 5ff
  • Computer und Unterricht, H. 115, 2019: Gamification
  • Unterricht Chemie, H. 182, 2021: Escape Rooms
  • Spielereien und Spielchen finden Sie auch in AKLabor (kappenberg.com oder App)
  • Was halten Sie von diesem „serious game„? Beispiel von der fu Berlin zu Neodym
  • Gamification umsetzen können sie mit Apps/ Seiten wie: ZUM-Apps, Learningsnacks, Learningapps, Kahoot, Plickers, …
  • classcraft.com ist eine komplette Gamifizierungs-Umgebung für Unterricht.
  • Lesen Sie auch: Wampfler, P.: Quizifizierung – eine Kritik am Kahoot-Hype
  • Das Spiel „Fake it to make it“ zum Thema Fake News kann dabei helfen, kritisches Denken und anzubahnen und auch den Wert bzw. die Bedeutsamkeit naturwissenschaftlicher Erkenntnisse gegenüber einfachen Behauptungen zu klären. Das kann man als Unterrichtsansatz weiterdenken: Schüler können (inhaltlich) passende Fake News mit naturwissenschaftlichen Methoden überprüfen.

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