Kooperatives Lernen im CU

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Kurzüberblick: Was ist kooperatives Lernen?

Kooperatives Lernen bedeutet weit mehr als die Durchführung von Gruppenarbeitsphasen. Es beschreibt vielmehr eine Philosophie von Unterricht, in der das Lernen systematisch in kooperative Prozesse zwischen Schülerinnen und Schülern verlagert wird, die die Lernenden zwingt, miteinander zu lernen und füreinander Verantwortung zu übernehmen. Kooperatives Lernen will dabei – neben einem attraktiveren und intensiveren fachlichen Lernen – in besonderem Maß Teamfähigkeiten, Kommunikationskompetenzen und soziales Lernen fördern“ (Eilks, Stäudel 2005, S. 4).

Kooperatives Lernen ist eine besondere Form von Kleingruppenunterricht, der – anders als der traditionelle Gruppenunterricht – die sozialen Prozesse beim Lernen besonders thematisiert, akzentuiert und strukturiert“ (Weidner 2003, S. 29).

Kooperatives Lernen bedeutet, dass die Schülerinnen und Schüler gemeinsam arbeiten. Es bedeutet aber auch, dass sie alleine arbeiten. Kooperatives Lernen steht nicht für Gruppenarbeit im Gegensatz zu Einzelarbeit oder Frontalunterricht. […] Es steht für eine Integration all dieser Unterrichtsformen mit dem Ziel der Aktivierung aller Schülerinnen und Schüler“ (Brüning, Saum 2006).

Beim Kooperativen Lernen werden Aufgaben so gestellt, dass eine Zusammenarbeit mit Mitschülern in Gruppen oder in Partnerarbeit zwingend notwendig ist, um zu einem guten Ergebnis kommen zu können. Die Aufgaben sind also recht komplex. Es wird davon ausgegangen, dass mehrere Schüler zusammen komplexere Aufgaben bewältigen können als jeder allein. Alle Aufgaben, die auch ein Schüler allein bewältigen könnte, sind für kooperatives lernen ungeeignet – solche Aufgaben werden aber oft gestellt, wenn Schüler „in Gruppen“ zusammenarbeiten sollen (siehe hier: Unterscheidung von gut geplantem kooperativen Lernen und schlecht geplanter Gruppenarbeit). Unbefriedigend verlaufende Gruppenarbeiten kommen oft vor, etwa wenn Schüler „in Gruppen“ ein Experiment durchführen sollen und dann nur einzelne Schüler sich tatsächlich denkend mit dem Experiment auseinander setzen. Machen sie es besser und betten Sie Experimente in kooperative Unterrichtsformen ein – siehe unten: Kapitel 4).

Die Rolle des kooperativen Lernens im Unterricht

Sie kennen mehrere Grundformen für den Unterricht:

  • Plenumsunterricht (Unterrichtsgespräche)

  • Direkte Instruktion

  • Selbstständiges Lernen und Individualisierung

  • Kooperatives Lernen

Keine dieser Formen ist allen anderen bezüglich der Gestaltung guten Unterrichts überlegen, keine dieser Formen kann allein guten Unterricht ermöglichen. Aber andererseits hat jede der Formen besondere Vorzüge und kann Lernen in je bestimmten Bereichen besonders gut unterstützen. Deshalb sollten alle vier Formen in Ihrem Unterricht berücksichtigt werden, und zwar immer dort, wo ihre besonderen Vorzüge zum Tragen kommen. Die Entscheidung darüber obliegt Ihnen als Lehrer und ist wesentlicher Teil Ihrer Unterrichts-Planung. Idealerweise streben Sie in etwa gleiche Anteile aller Formen in Ihrem Unterricht an. Im Folgenden geht es nur um das kooperative Lernen.

Kooperatives Lernen ist nicht selbstständiges Lernen

Das selbstständige Lernen wird oft als erstrebenswert angesehen, wenn Schüler „selbstständig“ arbeiten, macht das einen guten Eindruck und ist oft auch lernwirksam – wenn es keine Mogelpackung ist. Denn Selbstständigkeit muss gelernt und geübt werden – Schüler brauchen dafür ein Bündel an Kompetenzen. Wenn Sie die erst mal haben, dann führt selbstständiges Lernen oft zum Ziel und zur Erweiterung der entsprechenden Fähigkeiten. Lässt man Schüler ohne entsprechende Übung und Kompetenzen „selbstständig“ arbeiten, führt das oft zu wenig produktiven, wenig erfreulichen, oft chaotischen Phasen, in denen nur die besonders guten Schüler konstruktiv arbeiten (können). Dem wirkt der Lehrer dann durch gezielte Hilfen, engere Arbeitsaufträge, enge Versuchsanleitungen („Nachkochversuche“) entgegen – und erreicht damit, dass die Schüler eben nicht selbstständig, sondern nach enger Anleitung lernen – oder nicht. Eine Mogelpackung. Das kooperative Lernen ist geeignet, Schüler die zum späteren selbstständigen Arbeiten notwendigen Kompetenzen erwerben zu lassen. Das kooperative Lernen selbst wird vom Lehrer mehr oder weniger eng vorstrukturiert und gibt den Schülern damit notwendige Hilfen und „Geländer“ für den Kompetenzerwerb. Das bedeutet auch, dass kooperatives Lernen insbesondere in der Sekundarstufe I wichtig ist. Aber auch in der Sek. II können einzelne Unterrichtsphasen oder -sequenzen ertragreich kooperativ gestaltet werden.

Merken Sie sich also:

Kooperatives Lernen ist nicht selbstständiges Lernen. 
Koopratives Lernen ist gut geeignet, wenn der Lehrer den Schülern klare Strukturen vorgeben möchte.

Zerrbild: Kooperatives Lernen im Gegensatz zu einem herkömmlichen Unterricht (der bewusst stark zugespitzt dargestellt wird)

Lehrer überschätzen ihre eigene Bedeutung beim Lernen, und sie unterschätzen meist zugleich die Lernmöglichkeiten ihrer Schüler“ (P. Struck)

Lernbegleiter? Unsinn, Lehrer! (Michael Felten)

  • Oft nehmen nur einzelne Schüler aktiv am Unterricht teil – in Form von Antworten auf Lehrerfragen etwa. Einige Schüler perfektionieren das „so-tun-als-ob“ und simulieren aktive Mitarbeit.

  • Viele Schüler sind Konsumenten des Unterrichts, keine aktiven Teilnehmer.

  • in Gruppenunterricht sind nur wenige gute Schüler aktiv, viele Schüler sind am Ergebnis kaum beteiligt.

  • Es wird von zu wenigen Schülern wirklich aktiv mitgedacht.

  • kaum Vernetzung der Inhalte – Lernen als Abarbeiten des Lehrplans – gemacht und vergessen.

  • Aufgaben werden oft zu kleinschrittig gestellt und ziele auf eine bestimmte, richtige Antwort ab.

  • Kommunikation findet eigentlich nur in Form einer Reaktion auf Lehrerfragen statt, nur selten müssen Schüler in ganzen Sätzen reden, noch seltener etwas erklären oder einen Sachverhalt versprachlichen.

  • In der Summe wird träges Wissen vermittelt, Lernerfolge bezüglich der Weiterentwicklung von Fähigkeiten findet kaum statt.

  • Am Ende der Stunde wird das Ergebnis von der Tafel abgeschrieben. Aber…

    Wissen hält nicht länger als Fisch“ (Alfred North Whitehead)

[Die] mangelnde Beteiligung kann, jenseits der fragen von Motivation, Interesse oder Leistungsbereitschaft, daran liegen, dass die Struktur des Unterrichts es vielen Schülerinnen und Schülern nicht ermöglicht oder es von ihnen nicht erfordert, am eigentlichen Denkprozess aktiv teilzunehmen“ (Brüning, Saum 2006, S. 12).

Wie Lernen funktioniert – oder: Warum kooperatives Lernen wichtig ist

Wir alle lernen besser, wenn wir wenigstens teilweise nach unserem individuellen Tempo lernen können, wenn wir entscheiden dürfen, mit wem wir lernen wollen, […] wenn wir beim Lernen nicht überwiegend zuhören müssen, sondern regelmäßig Gelegenheit haben, uns mit anderen im Gespräch auszutauschen“ (Unruh, Petersen: Guter Unterricht. AOL 2006, S. 12).

Wir begreifen Sachverhalte immer erst, wenn wir sie aussprechen, wir verstehen, was wir lernen sollen, wenn wir das zu Lernende anderen Menschen erklären. […] Die wichtigsten Lehrer sind die Mitschüler, die zweitwichtigsten die Lehrer selbst“ (P. Struck).

Über erfolgreiches, nachhaltiges Lernen wissen wir zum Beispiel, dass…

  • Lernen durch Konsum nicht funktioniert,

  • Lernen bedeutet, individuell Informationen aktiv zu verarbeiten und in vorhandene Wissensstrukturen einzugliedern,

  • Inhalte für den Schüler subjektiv sinnhaft sein müssen (Relevanz),

  • Neues mit Vorwissen vernetzbar sein muss (Anschlussfähigkeit, kumulatives Lernen),

  • Kommunikative Anwendung die Lernleistung erheblich verbessert,

  • ebenso das Verbalisieren von Sachverhalten, Modellen etc.,

  • Lernen angstfrei in einer angenehmen Umgebung stattfinden muss,

  • Lernen verbessert wird, wenn Lernwege und Lernerfolge individuell wahrgenommen und reflektiert werden,

  • Lernen in sozialen Kontexten geschieht,

  • Menschen unterschiedlich lernen (Heterogenität – Differenzierung)

  • Lernen grundsätzlich ein aktiver Prozess ist.

Zerrbild: Kooperatives Lernen oder „Gruppenarbeit“?

„Gruppenarbeit“ ist immer gut. Leider verläuft sie oft unbefriedigend. Ein Schüler arbeitet gar nicht mit, ein anderer macht mal eben alleine das Ergebnis fertig. Es wird laut, viele Schüler sind beschäftigt, aber nur wenige mit dem eigentlichen Thema. Der beste Schüler aus der Gruppe präsentiert dann das Ergebnis – die anderen stehen daneben, Hände in den Taschen.

Das ist natürlich ein Extremfall, aber wenn man sich klar machen will, was kooperatives Lernen im Gegensatz zu „normalen“ Gruppenarbeiten effektiver und zufriedenstellender (für alle Beteiligten) macht, muss man beide mal vergleichen. Der Vergleich wird in der Literatur an verschiedenen Stellen angestellt, und seine Grundlage ist ein eher gut geplantes kooperatives Lernen im Vergleich mit einer eher beiläufig dahingeplanten Gruppenarbeit.

Der entscheidende Unterschied ist immer, dass beim kooperativen Lernen die Aktivitäten der Gruppen gezielt strukturiert werden (vom Lehrer), damit bestimmte gewollte Prozesse ablaufen. Bei normaler Gruppenarbeit setzt der Lehrer auf selbstregulierende Prozesse innerhalb der Schülergruppen. (Wenn die Schüler das gelernt haben, dann klappt das auch – aber eben nicht einfach so). Es gilt, dass eine Gruppenarbeit umso besser funktioniert, je höher die Fähigkeiten der Gruppenmitglieder entwickelt sind (Teamfähigkeit, Kommunikationskompetenz, Selbstständigkeit, soziale Kompetenzen). Die Entwicklung dieser Fähigkeiten und Fertigkeiten ist ein Ziel des kooperativen Lernens. Sie werden zielgerichtet und systematisch entwickelt – und je weiter sie entwickelt sind, umso weniger Struktur gibt der Lehrer vor.