Mathematisieren und Formeln

Mathematisierungen und Formeln: „Stolperfallen“ im Chemie-Unterricht

Die Einführung und Verwendung von Mathematisierungen und chemischen Formeln führt im Unterricht oft zu Schwierigkeiten seitens der Schüler. Gleichzeitig stellen beide einen Kernbestand der Chemie dar, ohne die sinnvoller Unterricht nicht denkbar ist. Guter Chemie-Unterricht muss erreichen, dass möglichst viele Schüler an diesen „Stolperfallen“ nicht hängen bleiben. Die chemische Symbolsprache und jede Mathematisierung kann in sehr knapper Form viele Informationen transportieren. Diese muss man aber „entschlüsseln“, d.h. lesen und verstehen können.

Im Folgenden werden chemische Formelsprache und Mathematisierungen unterschieden. Die chemische Formelsprache (Kap. 3) arbeitet mit den Elementsymbolen aus dem PSE, und der Darstellung von Molekülen, Ionen… zu Mathematisierungen (Kap. 2) werden hier alle anderen Formeln sowie Diagramme zugeordnet.

(Der Beitrag ist als Fließtext verfasst, weil ich ein ehemals zum Druck vorgesehenes Script hineinkopiert habe…)

Formelsprache, Fachsprache, Darstellung

Formeln im „Dreieck des Chemieunterrichts“

Nehmen Sie zum besseren Verständnis gegebenenfalls die zusätzliche Erklärung des Dreiecks aus der „Erstbegegnung“ zur Hand.

m – f: Formeln und Mathematisierungen können helfen, Beobachtungen auf Stoffebene zu interpretieren und zu erklären. Außerdem sind sie zur Quantifizierung notwendig.

s – f: Formeln und Modelle gehören oft zusammen und ergänzen sich gegenseitig. Modelle können auch helfen, zu Formeldarstellungen zu kommen; umgekehrt helfen Formeln, Modelle zu entwickeln.

Die Formeln haben eine eigene Ebene! Nur hier gehören sie hin, nur hier werden Formelzeichen geschrieben.

Fachsprache, Formelsprache und Sachtexte

Die sprachlichen Ebenen sollten immer klar voneinander getrennt werden. Im Sinn guter Fachsprache bedeutet das, in Texten die Bezeichnungen von Stoffen und Größen immer auszuschreiben.

Der Satz

[A] „Das Klimagas CO2 wird zum Beispiel von Autos ausgestoßen

wäre dann als fachsprachlich ungeeignet zu bewerten. Die Nutzung chemischer Formelzeichen als Abkürzung für Stoffnamen ist nicht sinnvoll und inhaltlich fehlerhaft. Statt dessen müsste geschrieben werden:

[B] „ Das Klimagas Kohlenstoffdioxid wird zum Beispiel von Autos ausgestoßen“. ODER:

[C] „In der Luft steigt die Konzentration an Kohlenstoffdioxid...“

ODER:

[D] „In der Luft steigt der Anteil der Kohlenstoffdioxidmoleküle deutlich an, von 300ppm (1990) auf inzwischen mehr als 350ppm“.

Die falsche Schreibweise, bei der ein chemisches Formelzeichen als Abkürzung eines Stoffnamens benutzt wird, findet man leider häufig in den Medien. Den Schülern muss deshalb verdeutlicht werden, dass

  • die Verwendung von Formelzeichen als Abkürzung fachsprachlich falsch ist.
  • Dies dennoch in pseudo-wissenschaftlichen Fernsehsendungen und Texten oft gemacht wird.
  • Fachsprache und Alltagssprache unterschieden werden müssen. Im Unterricht verwenden wir Fachsprache (bzw. Unterrichtssprache) und nicht Alltagssprache.
  • Die Verwendung des Formelzeichens inhaltlich falsche Vorstellungen nahelegt bzw. wiedergibt (s.u.).
  • Die Argumentation mit Formelzeichen nur auf der formalen Ebene zulässig ist – im Rahmen von Formeln!

Der Stoffname „Kohlenstoffdioxid“ impliziert eine Argumentation auf Stoffebene. Genau dies ist in obigem Beispielsatz auch gewollt.

Der Satz B argumentiert klar auf Stoffebene und ist so korrekt.

Satz C vermischt Stoff- und Teilchenebene und ist so durchaus problematisch. Die Konzentration ist eine Angabe in Menge oder Masse je Volumeneinheit, die Bezeichnung Kohlenstoffdioxid bezeichnet den Stoff. Eine Konzentrationsangabe in mol/L oder ppm müsste klar auf die submikroskopische Ebene bezogen werden.

Satz D wäre demzufolge geeigneter.

Um sich klarzumachen, welche Fehler man bei der Verwendung eines Formelzeichens im Text macht, muss man zuerst überlegen, was genau ein Formelzeichen eigentlich aussagt.

  • Es handelt sich um eine Summenformel.
  • Mit etwas Wissen kann man sie als Molekülformel identifizieren, im Gegensatz zur Verhältnisformel bei Salzen.
    • Das Molekül ist aufgebaut aus einem Kohlenstoffatom (C) und zwei Sauerstoffatomen (O);
    • über die Bindungsverhältnisse sagt die Formel uns aber nichts; außer, wir kennen uns gut aus.
  • „CO2“ bezeichnet in einer Formel genau ein einziges Molekül. Der stöchiometrische Koeffizient ist 1.

In Satz A wird also behauptet, das Klimagas Kohlenstoffdioxid bestehe insgesamt aus einem Kohlenstoffdioxidmolekül. Tatsächlich wären es für eine geeignete Argumentation extrem viele, ihre Anzahl lässt sich aber nicht genau quantifizieren.

Das Formelzeichen soll auch nicht als Abkürzung benutzt werden, denn der Informationsgehalt des Symbols „CO2“ ist eben ein gänzlich anderer als derjenige der Bezeichnung „Kohlenstoffdioxid“. Die Symbolbenutzung ist deshalb für Formeln „reserviert“. Alles Andere führt zu unnötigen Missverständnissen und Fehlvorstellungen.

Für alle anderen Formelsymbole empfehle ich eine analoge Vorgehensweise. Achten Sie von Anfang an darauf, dass Symbole und Formelzeichen nur in Formeln verwendet werden.

Formalia

Setzten sie von Anfang an einen klaren Rahmen für den Umgang mit Formeln und Symbolen. Dieser Rahmen soll transparent sein und zu einem je sinnvollen Zeitpunkt gesetzt werden. So sollten Sie, wenn Sie chemische Elementsymbole einführen, anhand des Dreiecks des Chemie-Unterrichts deutlich machen, an welcher Stelle Formelzeichen genutzt werden – und an welchen nicht.

Dazu können Sie ihren Schülern z.B. je einen Merkzettel an die Hand geben, auf dem sie

  • den formalen Umgang mit Formeln, chemischen Elementsymbolen etc definieren,
  • die Form eines Reaktionsschemas,
  • einer Berechnung,
  • Kriterien guter Fachtexte vorgeben.

Berechnungen

Sie sollten von ihren Schülern immer vollständige, transparente Rechenwege verlangen. Dazu gehört

  • das Aufschreiben der genutzten Formel(n).
  • der komplette Rechenweg mit allen wichtigen Umrechnungs- und Denkschritten.
  • Einheiten anzugeben. In Klassenarbeiten und Klausuren bewerten Sie den Ansatz, den Rechenweg und das Ergebnis.

Chemische Formeln

Eine chemische Formel ist keine Gleichung. Ich empfehle deshalb zur Vermeidung von Fehlvorstellungen, auf den Begriff „Reaktionsgleichung“ zu verzichten uns statt dessen vom „Wortschema“ und vom „Reaktionsschema“ zu sprechen.

Ein Wortschema ist eine Beschreibung einer chemischen Reaktion, die auf die Stoffnamen zurückgreift und ohne Elementsymbole auskommt. Zustandssymbole sollten verwendet werden. Erklären Sie ihren Schülern, dass sich die Zustandssymbole auf den Zustand bei Raumtemperatur beziehen.

Sauerstoff(g) + Benzin(l) → Kohlenstoffdioxid(g) + Wasser(l)

Ein Reaktionsschema wird unter Verwendung der chemischen Formelzeichen geschrieben. Es gibt Summenformeln, Zustandssymbole, eventuell den Energieumsatz, eventuell die ungefähre Gleichgewichtslage, auf jeden Fall aber die geringstmögliche Anzahl der reagierenden Teilchen an (stöchiometrischer Koeffizient).

25 O2(g) + 2 C8H18(l) → 16 CO2(g) + 18 H2O(l) ; exotherm

In beiden Schemata dürfen niemals nicht-stoffliche Aspekte als Edukt oder Produkt vorkommen („Wärme“, „Energie“…).

Die Angabe zum Energieumsatz sollte je nach Kenntnisstand der Schüler ausgeschärft werden, bis hin zur quantitativen Angabe in der Oberstufe.

In Reaktionsschemata können auch Strukturformeln verwendet werden, etwa zur Verdeutlichung eines Reaktionstyps, eines Mechanismus oder der funktionellen Gruppen bzw. der Strukturen.

Für die Dissoziation eines Salzes/ einer Säure/Base in Wasser kann die nötige Wassermenge nicht ohne Weiteres quantifiziert werden. Formal sollten Schüler dann das Wasser nicht als Edukt angeben, sondern z.B. so:

NaCl(s) → Na+(aq) + Cl(aq)

Bei der Erstellung von Texten sollte im Sinne der Übersichtlichkeit und zur Vermeidung ungünstiger Verquickungen von Formel und Text darauf geachtet werden, dass Wort- und Reaktionsschemata (sowie Strukturformeln etc.) klar vom Text abgesetzt sind, etwa in einer eigenen Zeile, so wie ich es oben gemacht habe.

In Klausuren und Klassenarbeiten sollten Sie an geeigneter Stelle auch die Fachsprache bewerten. Außerdem können Sie Reaktionsschemata inhaltlich und formal bewerten und dadurch ihre Bedeutung für eine chemische Argumentation unterstreichen.

Mathematisierungen

Das kann ich nicht, das ist Mathe“

Mathematisierungen und das Kerncurriculum

Die Aufstellung entspricht noch dem alten KC (Niedersachsen), inhaltlich hat sich nicht viele getan, lediglich die Zuordnung zu Doppeljahrgängen kann im neuen KC mal verschoben sein.

Jahrgang Mathematisierung Anmerkung
7/8 Dichteberechnung

Atomanzahlverhältnisse in Verbindungen; stöchiometrische Koeffizienten/ Ausgleichen von Reaktionsschemata
Proportionale Zuordnung Masse/ Zahl der Bausteine/ Atome
Energiediagramme
Proportionalität Masse – Volumen
Quantitative Versuche und ihre Auswertung (z.B. Massenerhaltung)
Daten in Diagrammen darstellen
Fehlerdiskussion bei Messwerten
M, V sind Schülern oft unklar, deshalb kann auch die Definition der Dichte nicht verstanden werden; Quantitativ hier notwendig?
Diagramme, Messen, graphische Darstellung von Messwerten sind Mathematisierungen; Hier sollte auch die Fähigkeit der Schüler zum Umgang mit Diagrammen geklärt werden!
9/10 Energieniveaus, Bau der Atomhülle
Stöchiometrie! Stoffmenge, molare Masse, molares Volumen, Masse, Volumen, Konzentration… und ihre Beziehungen zueinander. Größengleichungen
pH-Skala, logarithmische Skalen
Elektronegativität und Bindungsarten
Alle Grundlagen aus 7/8 werden hier natürlich gebraucht!

Das „einfache chemische Rechnen“ fällt Schülern oft schwer. Schwierigkeiten in diesem Bereich setzen sich aber bis in die Kursstufe fort und bringen Probleme für die Schüler mit sich.

Logarithmische Skalen werden oft nicht verstanden; hier sind besondere Veranschaulichungen nötig.
12/13 (LK) Chemisches Gleichgewicht Massenwirkungsgesetz Gleichgewichtskonstanten, pKs, pKb; Beeinflussung von Gleichgewichten am MWG zeigen…
pH-Werte berechnen Titrationen auswerten Titrationskurven; Äp, HÄp graphisch ermitteln, Pufferpunkt berechnen…; quantitativ auswerten
Puffergleichgewichte Henderson-Hasselbalch-Gleichung,
Standard-Potentiale Nernst-Gleichung Potentiale von Halbzellen, Spannung von Akkus, Abscheidungsspannung, Zersetzungsspannung…
pH-Abhängigkeit elektrochemischer Potentiale
Reaktionsgeschwindigkeit, Abhängigkeiten
Stoffumsatz chemischer Reaktionen ermitteln; Stöchiometrie!
Gibbs-Helmholtz-Gleichung Standard-Reaktionsenthalpien aus Standard-Bildungsenthalpien berechnen Enthalpiediagramme, Enthalpieänderungen Mesomerieenergie Innere Energie freie Standard-Reaktionsenthalpie Entropie
Oxidationszahlen
Ohne dies werden auch Puffer nicht verstanden









s.o.


die gesamte Elektrochemie hängt an Berechnungen



Verknüpfung der Säure-Base- mit der Elektrochemie

siehe Jahrgang 9!

Energetik geht ohne Berechnungen nicht; große Hürde für viele Schüler; Hier gibt es oft Denkblockaden, weil Schüler meinen, Mathe nicht zu können.




Die Aufstellung ist sicherlich nicht vollständig.

Zur unterrichtlichen Arbeit mit Mathematisierungen

Machen Sie sich klar, dass viele Schüler alles an Mathematik Erinnernde in der Chemie weder erwarten noch begrüßen. Damit werden Mathematisierungen zu Stolpersteinen beim Lernen. Verstandene (!) Mathematisierungen erleichtern allerdings das Verstehen chemischer Sachverhalte, Abläufe und Prozesse.

Das mögliche Vorwissen der Schüler muss sehr gründlich bedacht werden. Schon ein „einfaches“ Energiediagramm stellt viele Schüler vor das Problem, dass sie diese Darstellung nicht lesen können. Schon die Verwendung einer Größe (Volumen…) kann Schwierigkeiten machen.

Vorsicht: Viele auf Mathematisierungen bezogene Darstellungen in Schulbüchern sind nicht optimal, einige kontraproduktiv.

Diagramme – Beispiel: Energiediagramm, Jahrgang 7/8

Empfehlungen:

  • so weit wie möglich reduziert auf Wesentliches
  • klare, inhaltsbezogene Bezeichnungen der Achsen
  • gründliche Einführung: präzise erklären oder Arbeit mit gestuften Hilfen
  • Achten Sie darauf, nur das aussagen zu wollen, was auch ausgesagt werden kann! Konkret:
    • verzichten Sie z.B. bei rein qualitativer Betrachtung des Energieumsatzes auf jedwede Form der angedeuteten Quantifizierung. Vermeiden Sie z.B. die Symbolik zur Enthalpie.
    • Sprechen sie von endothermen oder exothermen, aber hier niemals von „freiwillig“ ablaufenden Reaktionen – diese Aussage erfordert die quantitative Betrachtung der freien Reaktionsenthalpie.
  • Üben! Es gilt: Einmal reicht nicht.
  • Anwenden: Nur, was gebraucht wird, wird auch behalten.
  • Das oben gezeigte Beispiel ist gut; die Bezeichnungen der Ausgangsstoffe und Produkte müssten noch ergänzt werden.

Formeln: Dichte

Die Dichte ist der Quotient aus Masse und Volumen. Die Dichte hängt von der Temperatur und auch vom Druck ab“ (Chemie heute Bd. 1).

Bestimmt man die Volumina verschiedener Portionen des gleichen Stoffes und deren jeweilige Masse und trägt sie in einem Diagramm auf, erhält man Messpunkte, die sich zu einer Ursprungsgerade verbinden lassen. Es liegt eine proportionale Zuordnung von Masse und Volumen vor…Der Quotient aus Masse und Volumen hat also einen… für den jeweiligen Stoff typischen Wert. Er wird Dichte … genannt“ (Elemente Chemie 7/8).

Dichte ist Masse pro Volumen“ (Lehreraussage).

  • Was genau bedeutet „Masse“?
  • Was genau bedeutet „Volumen“?
  • Was ist ein Quotient?
  • Können sich Schüler in diese Rechenoperation so hineindenken, dass aus der Formel das Verständnis der Proportionalität erwächst?
  • Wenn das stimmt, warum schwimmt dann ein Schiff (Eisen, hohe Dichte) auf Wasser?
  • Wodurch kommen eigentlich unterschiedliche Dichten zu Stande?
    • Typische Vorstellungen:
      • Teilchen liegen je nach Dichte weiter auseinander (geringe Dichte) oder eng zusammen (hohe Dichte)
      • Teilchen sind unterschiedlich groß
      • Kontinuumsvorstellung! „Öl schwimmt auf Wasser, weil das Öl kein Wasser durchsickern lässt“ (Schüleraussage)

Die Einführung der Formel reicht nicht. Den Schülern muss die Bedeutung der einzelnen Größen klar sein. Sie müssen eine Vorstellung davon entwickeln, was „10 Kubikzentimeter“ oder „ein Liter“ bedeutet.

  • Gründliche Erklärung der einzelnen Größen, anschaulich
  • Einführung der Dichte vom Phänomen aus, viele Versuche, die Vergleiche zulassen.
  • Aus den vielen Versuchen kann man dann Massen und Volumina bestimmen und letztlich die Dichte berechnen.
  • Üben – damit das Rechnen klappt! Erkennen lernen, wie die Dichte berechnet wird, Textaufgaben…
  • Verbalisierung – Die Formel erklären lassen, versprachlichen; siehe die Methodenwerkzeuge im Anhang, die eventuell geeignet sind. Fazit: WENN man die Dichte nicht nur als Phänomen, sonder quantitativ einführen möchte, muss man dafür mehrere Unterrichtsstunden aufwenden.

Einheiten umrechnen und verstehen

Hierzu liegt dem Script eine Seite mit Umrechnungen an. Schüler müssen dafür sensibilisiert werden, immer genau auf die Einheiten zu achten, mit denen sie es zu tun haben und auf diejenigen, die definitionsgemäß in eine Formel eingesetzt werden müssen. Hier passieren viele einfache Fehler.

Einheiten sollten auch anschaulich gemacht werden. Wie viel ist z.B. ein Liter Wasser, ein Liter Watte, zehn Kubikmeter Luft – wie viel Luft passt wohl in den Klassenraum? Was stellt man sich unter einem Kubikzentimeter vor? Wichtig ist die Verdeutlichung des Bezug von mL-Angaben (auf Messzylindern) und cm³ (die in Formeln zumeist eingesetzt werden).

Stoffmenge

Das Mol stellt sicherlich die größte Hürde dar. Es ist nicht vorstellbar und doch der einzige direkte Bezug der submikroskopischen Ebene zur Stoffebene. Ein Eisenatom kann man kaum für einen Versuch verwenden – ein Mol Eisenatome hingegen sehr wohl. Fast alle quantitativen Aspekte der Chemie nehmen Bezug auf das Mol! Da die Stoffmenge „1 mol“ unanschaulich ist und auch nicht begriffen werden kann, muss umso mehr ihr Nutzen und ihre Bedeutung geklärt werden. Hierzu sollten immer wieder explizite Bezüge darauf genommen werden – ist die Stoffmenge eingeführt, sollte den Schülern immer klar sein, wann sie darauf zurückgreifen (sollen) und weshalb.

Untersuchungen zeigen, dass viele Schwierigkeiten von Schülern auch noch in der Oberstufe insbesondere auf Probleme mit dem Umgang mit der Stoffmenge zurückzuführen sind! Diese Probleme machen sich dann immer bemerkbar, wenn es um molare Bezugsgrößen geht (molare Masse, molares Volumen, molare Standard-Reaktionsenthalpie…). Da letztlich fast jede Berechnung in der Chemie auf die Stoffmenge zurückgreift (und auch jedes Reaktionsschema!), etwa um Vergleichbarkeit herzustellen, muss ein vernünftiges Verständnis der Stoffmenge erreicht werden.

Umstellen, Formeln anwenden

Selbst wenn eine Formel von Schülern gelernt wurde und einigermaßen sicher zur Lösung von „Einsetz-Aufgaben“ verwendet wird, ist die Arbeit nicht getan. Das Ziel muss sein, Schüler zu einem sicheren Umgang mit Formeln zu bringen.

Viele reale chemische Aufgabenstellungen verlangen, Formeln umzustellen, zu kombinieren,… Das zu können erfordert aber entweder einen sehr analytisch begabten Verstand oder das Verständnis der Formeln und ihres „Sinns“.

  • Nochmal Dichte: Aufgaben vom Typ „Berechne die Dichte von…“ können mit etwas Übung sicher gelöst werden. Aber wie sieht es aus, wenn die Masse von einem Liter Salatöl bestimmt werden soll?
  • Oder wenn die Dichte von 100mL / 50cm³, 1m³ Salatöl bestimmt werden soll?
  • Generationen von Kindern wurden mit Spinat gefüttert, weil der so viel „Eisen“ enthalte. Leider ist der hohe „Eisen“-Gehalt weniger auf das Gemüse als vielmehr auf einen Fehler beim Umrechnen der Einheiten zurückzuführen! Dieser ist immerhin renommierten Wissenschaftlern passiert.

Formeln müssen also nicht nur auswendig gelernt werden. Ziel muss es sein, Schülern einen kompetenten Umgang mit Formeln zu ermöglichen. Das erfordert viel Üben und insbesondere „intelligente“ Aufgaben, also z.B. aus realen zusammenhängen stammende Aufgaben, die nicht auf den ersten Blick nur Rechenaufgaben sind (siehe das Beispiel zum „Erdgas“ im Anhang).

Umgang mit Mathematisierungen: Grundsätzliche Hinweise für den Unterricht

Untersuchungen haben ergeben, dass Schüler-Schwierigkeiten mit Mathematisierungen weniger mit der formalen Anwendung von Formeln, sondern insbesondere mit dem Verstehen der Größen und chemischen Zusammenhänge zusammenhängen.

Marohn (2013) hat folgende Hinweise für den Unterricht mit Mathematisierungen herausgearbeitet:

  • Förderung und Zulassen des „intuitiven Verständnisses“, von Überschlagsrechnungen und Probierverfahren – Verzicht auf obligatorisches Einfordern enger Formalismen (du musst immer folgende Rechenschritte machen…); Formalismen helfen schwachen Schülern und behindern diejenigen, die durch selbstständige Denkprozesse intuitive Lösungswege finden können.
  • Verbalisierung: Erklärungen mathematischer Zusammenhänge fordern und fördern. Sprachliche Annäherung zulassen und fördern. Auch schriftlich. Abstrakte Formalismen sollen so dem eigenständigen Durchdenken und Verstehen zugänglich gemacht werden.
  • Arbeit mit graphischen Darstellungen: Visualisierung des Zusammenhangs von Messgrößen – etwa die Abhängigkeit der Löslichkeit von der Temperatur etc. Solche Auftragungen können auch genutzt werden, um anderweitige Messergebnisse zu visualisieren und ein Verständnis der möglichen Ergebnisse (und seiner Größenordnung) zu fördern. Auch ein Zahlenstrahl und ähnliche Darstellungen können helfen. Erlaubt ist, was hilft!
  • Focussierung: Nur die wirklich notwendigen Formeln sollen im Unterricht verwendet werden. Gleichzeitig müssen diese Formeln wie auch die zu Grunde liegenden Größen mit Einheiten auch wie Vokabeln gelernt werden. Es muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass diese Formeln (Konzentration, molare Masse…) in jedem inhaltlichen Zusammenhang relevant sein können und immer abrufbar sein sollen. Die relevanten Größen müssen veranschaulicht werden.
  • Mathematische Herleitungen fördern das Verstehen nur dann, wenn sie kurz sind, auf wenigen Größen basieren und selbst gut verstanden werden können. Komplizierte Herleitungen stören eher.
  • Experimentelle Herleitungen z.B. der Nernst-Gleichung können funktionieren. Hier ist aber unbedingt auf Meta-Kognition zu achten, den Schülern muss klar sein, dass die Wissenschaft niemals solche Formeln/ Gesetze aus einzelnen Versuchen „ableiten“ kann [Anm. TF].
  • Gezieltes Probieren durch z.B. Einsetzen vieler verschiedener Werte in eine Formel kann ein Gefühl für die Formel geben und den Umgang erleichtern. Auch iterative Verfahren sind Probierverfahren (Einschachtelung).
  • Kontextualisierung kann Relevanz schaffen und interessante Problemstellungen aufwerfen, deren rechnerische Lösung lohnenswert erscheint.

Chemische Formelsprache

Chemische Formelsprache und das Kerncurriculum

  • altes KC, bisher hier nicht an das aktuell gültige KC angepasst (Sek I und Sek II)
Jahrgang Chemische Formel Dazu gehört… Anmerkungen
7/8 Wortschema




Atomsymbole
Summenformeln
Reaktionsschema

Stoffebene; später Teilchenmodell (im Wortschema werden dann die Teilchensorten präzise bezeichnet)
PSE, Daltons Atomvorstellung; Indices, stöch. Koeffizient
Energieumsatz
Beschreibung und Interpretation der Stoffumwandlung. Form (Reaktionspfeil!) eindeutig und präzise einführen.


Summenformeln müssen zunächst vorgegeben werden; Basiskonzept Energie; Angabe je nach Kenntnisstand; Deutung chemischer Reaktionen auf Atomebene.
9/10 Ionenschreibweise
Verhältnisformeln
Lewis-Schreibweise Molekülformeln



Strukturformeln; Halbstrukturformel; Skelettformel; EPA-Modell
Zwischen-moldekulare Wechselwirkungen formelhaft schreiben
Differenzierter Atombau
Salze/ Ionenbindung
Elektronenpaarbindung polare/ unpolare Bindung
Donator-Akzeptor-Reaktion; chem. Reaktion als Spaltung/ Bildung von Bindungen
Isomerie kann betrachtet werden


Bindungsmodelle auf Grundlage des differenzierten Atombaus; Summenformeln können jetzt von Schülern anhand der „Wertigkeit“/ Bindigkeit oder anderer Überlegungen ermittelt werden.




Enger Bezug zu Modellen
11/12 Reaktionsschema ergänzen…
für Gleichgewichte
für Redoxreaktionen mit Ox.-Red-Teilschemata
für Protolysen

Aufbau auf Strukturformeln und Ergänzungen
Chemische Gleichgewichte

Gleichgewichtsüberlegungen
Elektronenaustausch

beide: Donator-Akzeptor-Reaktionen kenntlich machen
induktive Effekte mesomere Effekte, Grenzstrukturen mechanistische Betrachtungen
Aufbauend auf Sek. I wird die Aussagekraft von chemischen Formeln erhöht und zu Erklärungs-zwecken genutzt; Verstehensschwierigkeiten aus der Sek. I werden hier zu einem großen Problem.

Die obige Darstellung bezieht sich in ihrer Sortierung auf das Kerncurriculum, ist aber insgesamt sicherlich nicht vollständig; die oben genannten chemischen Formelschreibweisen sind für jeden Chemie-Unterricht unbedingt notwendig.

Chemische Formelsprache: Vorwissen und Vorstellungen

Schüler bringen wie bei jedem denkbaren Unterrichtsthema auch hier schon Vorstellungen mit. Diese Vorstellungen betreffen das Lesen/Verstehen von Formeln sowie das vermeintliche Wissen über ihre Verwendung aus den Medien.

Medien:

Viele polulärwissenschaftliche Sendungen, etwa „Galileo“ (Pro7), verwenden chemische Formeln, um ihre Darstellungen pseudowissenschaftlich zu überhöhen. In Darstellungen zu Treibhausgasen schwirren dann „CO2“-Symbole herum, Wasser wird gerne als „H2O“ bezeichnet.

Schüler müssen daher denken, dass Formeln als einfache Abkürzungen für Stoffe stehen. Außerdem halten sie dann den Gebrauch von Formeln und Formeldarstellungen für einen selbstverständlichen Teil der vermeintlichen wissenschaftlichen Sprache und Abbildung.

Formeln lesen

Schüler können sich sehr schnell überlegen, dass die chemischen Formelzeichen wohl als Abkürzungen für etwas stehen. Formeln werden aus dem Matheunterricht folgernd als Gleichungen verstanden und oft entsprechend geschrieben und vor allem verstanden. Die Zahlen in Formeln zu interpretieren fällt schwerer. Insbesondere die Indices sind aus den Vorstellungen heraus nur missverständlich zu interpretieren, etwa als Zeichen für die „Reaktionsfähigkeit“, für eine bestimmte Eigenschaft des Stoffes o.ä. Das Lesen der chemischen Summenformeln als Reihung von Elementsymbolen in unterschiedlichen Anzahlen ist demnach schwierig. Probleme ergeben sich auch mit Elementen, deren Bezeichnung aus mehr als einem Buchstaben besteht (Cl, Cu…). Diese werden oft missverstanden als Symbole für „C“ und „l“ bzw. „u“ und bereiten dementsprechend Probleme.

Weitere Vorstellungen bestehen auch je nach Vorunterricht und den dort eventuell aufgetretenen Missverständnissen.

Im weiteren Unterrichtsverlauf ergeben sich auch oft Probleme bezüglich des Umgangs mit Ionen in Salzlösungen (mit aus mehreren Elementen zusammengesetzten Ionen, etwa CO32-, bei denen eine Reaktion erwartet und geschrieben wird – dass solche Ionen als einzelnes Teilchen zu sehen sein können, die keine Reaktion eingehen, widerspricht oft den Erwartungen der Schüler) sowie mit Molekülen im Rahmen der Betrachtung von Wechselwirkungen (Spaltung/ Bildung von Bindungen – neue Moleküle).

Chemische Formelsprache und besondere Lernerschwierigkeiten – exemplarisch ausgesucht

H2O

Schüler vermuten in Summenformeln oft einen größeren Informationsgehalt als sie enthalten. In diesem Fall gehen Schüler von dem Wassermolekül als eine Verbindung aus H2 (also elementarem Wasserstoff) und „O“ aus (additives Teilchenverständnis). Möglicherweise ist dies Teil der häufigen Schülerfehlvorstellung: „in Wasser ist Wasserstoff“. Zudem wird oft vermutet, diese Summenformeln enthielten aussagen über die Molekülstruktur. Das Wassermolekül wird dann als „H-H-O“ dargestellt. Diese Fehlvorstellung steht im Wege, wenn man über die Bindigkeit spricht und Wasserstoffatome eben nur eine, Sauerstoffatome hingegen genau zwei Bindungen eingehen.

Na2O

Mal abgesehen davon, dass Schüler hier gerne analog zum Wassermolekül Elektronenpaarbindungen vermuten, werden die Indices in Formeln oft Fehlinterpretiert. In diesem Falle vermuten Schüler, die „2“ beziehe sich auf das Sauerstoffion. Bei der formalen Darstellung der Dissoziation dieses Salzes „entstehen“ dann je Formeleinheit 1 Natriumion und 2 Sauerstoffionen. Dies hat erhebliche Probleme bei der Ermittlung und dem Verstehen der Ladungen zur Folge.

2Fe3O – Fe2O3

Die Unterschiede zwischen den Indices und den stöchiometrischen Koeffizienten werden nicht verstanden. „2Fe“ ist dann für einen Schüler das selbe wie „Fe2…“. Die Bedeutung der Koeffizienten als Angabe der Anzahl dieses gebundenen Atoms (oder hier Ions) in einer Verbindung, die durch die Koeffizienten repräsentiert wird ist oft unklar; Gleichzeitig ist der Koeffizient ein „Zähler“, der die Anzahl der jeweiligen Moleküle/ der Formeleinheiten angibt; Die Veränderung des Koeffizienten verändert die Zahl gleicher Teilchen (Moleküle/ Formeleinheiten) in einem Reaktionsschema – die Veränderung des Koeffizienten führt zur Angabe völlig anderer Formeln völlig anderer Stoffe. Insbesondere beim Ausgleichen von Reaktionsschemata treten diese Probleme offen zu Tage. Hier liegen sehr viele teils sehr große Verstehenshürden und -probleme.

NH4+ – NH4+ – H4N+

Summenformeln lassen oft keinen Rückschluss über den Ort der Ladung im Molekül zu – Schüler interpretieren diese Information aber gerne in die Formel hinein.

So wird die Ladung beim Ammoniumion zu Unrecht einem der gebundenen Wasserstoffatome zugeschrieben.

Probleme mit den Indices wirken sich auch hier aus – dabei ist es ein großer Unterschied, ob die „4“ hoch- oder tiefgestellt geschrieben und verstanden wird!

Hilfreich wäre es, solche Formeln so zu schreiben, dass die Ladung innerhalb des Moleküls schon den „richtigen“ Ort bekommt. Aber die ist einem Verstehen der Prinzipien der Ladungsverteilung auch nicht zuträglich.

Die dargestellten Beispiele sind alle auf die selbe Ursache zurückzuführen: Es fehlt das Verständnis für die Verknüpfung der Teilchensorte mit der jeweiligen Formel und damit das konzeptionelle Grundverständnis von der Verknüpfung einer Modellvorstellung (Aufbau des Teilchens/ Moleküls/…) mit seiner symbolischen/ formelhaften Darstellung.

Die chemische Formelsprache ist ein Grundbestand des Arbeitens im Unterricht und darüber hinaus, ohne geht es nicht. Gleichzeitig werden die Formeln und ihre Verwendung mit fortschreitender Schulzeit immer komplexer. Wenn hier die Grundlagen fehlen, bleibt die Formelsprache eine nicht zu verstehenden Geheimsprache. Damit können aber auch Inhalte des Fachs Chemie kaum verstanden werden. Die Schüler verabschieden sich innerlich vom Fach.Zur unterrichtlichen Arbeit mit der chemischen Formelsprache

Chemische Formelsprache: Anregungen zur Unterrichtsarbeit

Wie oben beschrieben liegen wesentliche Schwierigkeiten beim Umgang mit chemischen Formeln im Unterricht selbst begründet (!?):

  • Vernetzung/ konzeptionelles Verständnis der Verknüpfungen von Teilchen und Formeldarstellungen.
  • Vernachlässigung der gründlichen Einführung von Formelschreibweisen.

Lösungsansätze liegen auf mehreren Ebenen:

  • Grundsätzlich…
  • Didaktisch…
  • Methodisch